Wie Whatsapp zum Treiber der Bauernproteste wurde

Ein Teilnehmer des Bauernprotests hat an einer Mistgabel mit Strick symbolisch die Ampel erhängt.
Quelle: IMAGO/epd
Wer bisher nicht gesehen hatte, wie schnell die Landwirte in diesen Tagen mobilisiert werden können, hat es spätestens am vergangenen Donnerstag mitbekommen. Noch nicht einmal zwei Stunden dauerte es von der Nachricht, dass Robert Habeck nach seinem privaten Halligausflug am Fähranleger Schlüttsiel ankommen werde, bis zur Versammlung Hunderter Traktoren und anderer schwerer Fahrzeuge im dünn besiedelten Nordfriesland. Die Aufrufe gingen durch verschiedene Whatsapp-Gruppen, mit denen sich Landwirte spätestens seit den Protesten 2019 vernetzen. In den vergangenen Tagen sind Hunderte weitere regionale Gruppen hinzugekommen. Sie richten sich längst nicht mehr nur an Landwirte, sondern auch an Gewerbetreibende und allgemein an alle Protestwilligen.
Nicht mehr Telegram, das in den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen eine führende Rolle als Verbreitungsmedium von Verschwörungserzählungen, Desinformation und „Spaziergang“-Aufrufen spielte, sondern das ursprünglich als privater Messenger genutzte Whatsapp ist das Protestmedium dieser Tage. Und auch hier finden sich verstärkt die altbekannten Muster von Desinformation und Verschwörungsglaube.
Whatsapp-Gruppe: Schnell geht es um Verschwörungserzählungen
Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) hat in den vergangenen Tagen Dutzende regionale Whatsapp-Gruppen besucht, die zum Teil speziell für die aktuelle Protestwoche eingerichtet wurden, zum Teil aber schon länger bestanden.
Von der Abstimmung einer Demoroute über den Aufruf, den regionalen Neujahrsempfang der Grünen zu blockieren, bis zu Verschwörungserzählungen über den „Great Reset“ und die Corona-Impfstoffe sind es nur wenige Postings. Auch von dem Protest gegen die Sparpläne der Bundesregierung über die Forderung „Die Ampel muss weg“ zu „Reichsbürger“-nahen Gedanken von „Systemausstieg“ und Totalverweigerung ist der Weg in den Chatgruppen oft sehr kurz.
„Whatsapp ist längst nicht mehr nur ein privater Messenger, sondern eignet sich immer mehr auch zur Vernetzung. Whatsapp wird immer mehr zu einem sozialen Medium, behält dabei aber seinen quasi-privaten Charakter“, sagt die Sozialpsychologin Pia Lamberty, Mitglied der Geschäftsführung der gemeinnützigen Organisation CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie).
Während auf dem Messenger und im sozialen Medium Telegram laut Lamberty „das verschwörungsideologisch rechtsextreme Milieu über das Thema der Bauernproteste wieder mehr Aktivität zu verzeichnen hat“, sei Whatsapp das Medium, über das sich viele Landwirte und Privatpersonen ohnehin vernetzten. Auch eigene Gruppenstrukturen, die thematisch passend sind, seien gegründet worden, die dann auch relativ schnell gewachsen sind.

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Anfällig für unbewusste Desinformation
Doch die Kommunikation auf Whatsapp sei besonders anfällig für unbewusste Desinformation, sagt Lamberty: „Man hat eigentlich zwei parallele Strukturen, einmal altbekannte rechtsextreme Strukturen in teilweise neuem Gewand und eben die Strukturen, die stärker von den Bauern selbst genutzt werden und die aber auch versucht werden zu infiltrieren.“ Es gebe zum Beispiel auf Tiktok rechtslastige Videos, in deren Beschreibung steht: „zum Teilen auf Whatsapp geeignet“. Lamberty warnt: „Whatsapp kann so das Einfallstor sein für problematische Inhalte aus den klassischen sozialen Netzwerken, die von vielen gar nicht genutzt werden.“
Lamberty plädiert für mehr Wachsamkeit bei der Nutzung von Whatsapp-Chatgruppen. Dem RND sagt sie: „Whatsapp ist ein Medium, das von allen Altersklassen genutzt wird – und gerade den Älteren fehlen oft die Medienkompetenz und schlicht das Wissen, dass man in den Fokus von solcher Mobilisierung geraten kann. Wir brauchen mehr Kurse für Medienkompetenz, nicht nur auf den üblichen Social-Media-Plattformen, sondern auch in der analogen Welt für die älteren Generationen, zum Beispiel an den Volkshochschulen.“