Griechenland setzt Asylverfahren aus

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Athen/Heraklion. Die griechische Regierung will dem ständig wachsenden Zustrom von Migranten aus Nordafrika nicht länger untätig zusehen. Der konservative Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis kündigte am Mittwoch im Parlament an, dass die Bearbeitung entsprechender Asylanträge vorerst eingestellt wird.
Die Aussetzung soll zunächst für drei Monate gelten. Mitsotakis kündigte außerdem an, alle Migranten, die irregulär nach Griechenland kommen, würden ab sofort „festgenommen und eingesperrt“. Dazu sollen auf Kreta ein oder möglicherweise zwei geschlossene Aufnahmelager gebaut werden. Er habe die EU-Kommission bereits über die Maßnahmen informiert, sagte der Premier. Die gegenwärtige Situation erfordere „außergewöhnliche Schritte“.
Athen reagiert damit auf einen starken Anstieg der Migrantenzahlen. Während früher Kriegs- und Armutsflüchtlinge überwiegend aus der Türkei nach Griechenland kamen, bringen jetzt Schleuser immer mehr Menschen aus Libyen zur griechischen Insel Kreta. Seit dem Beginn dieses Jahres sind auf diesem Weg über 9000 Migranten in das EU-Land gekommen.

Ein Schiff mit etwa 400 Migranten in der Nähe von Kreta (Archivbild aus dem Oktober 2021)
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Viele kommen aus sicheren Herkunftsländern
Gegenüber dem ersten Halbjahr 2024 hat sich die Zahl mehr als vervierfacht. Allein am Montag dieser Woche kamen 963 Menschen an. Am Mittwochmorgen griff die griechische Küstenwache vor Kreta 520 weitere Migranten auf.
Bei den Ankömmlingen handelt es sich nach Behördenangaben zu mehr als 90 Prozent um junge Männer. Die meisten kommen demnach aus Ägypten, Pakistan und Bangladesch. Diese Staaten gelten in Griechenland als sichere Herkunftsländer. Ihre Bürger haben daher so gut wie keine Aussicht auf politisches Asyl.
Die Menschen sind provisorisch in leer stehenden Fabrikgebäuden, einer Lagerhalle am Hafen von Heraklion und in Sporthallen untergebracht. Viele campieren im Freien – in sengender Sonne und bei Temperaturen von weit über 30 Grad. Es fehlt an allem: sanitären Einrichtungen, Essen, Kleidung, Matratzen und Decken. Nach und nach sollen die Menschen in bewachte Auffanglager auf dem Festland gebracht werden, aber auch dort wird es zusehends eng.
Gespräche mit libyscher Regierung
Am Dienstag hatten der für die Migrationspolitik zuständige EU-Kommissar Magnus Brunner sowie die Migrationsminister aus Griechenland, Italien und Malta in einer gemeinsamen Mission in Tripolis mit der libyschen Regierung über Möglichkeiten verhandelt, die Überfahrten zu stoppen. Greifbare Ergebnisse hatten diese Gespräche aber offenbar nicht.

Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis
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Mitsotakis sagte, die Verhandlungen würden fortgesetzt. Er bot in seiner Parlamentsrede der libyschen Regierung die Unterstützung der griechischen Kriegsmarine an, um die Migrantenboote an der Überfahrt zu hindern.
Der Premier verteidigte die angekündigten Schritte mit der akuten Notlage. Schon Anfang 2020, als Zehntausende Migranten die Landgrenze zwischen der Türkei und Griechenland belagerten, hatte Griechenland ähnliche Maßnahmen ergriffen – damals mit Billigung der EU. „Unsere Regierung sendet ein Signal der Entschlossenheit“, sagte Mitsotakis. „Der Korridor nach Griechenland wird geschlossen.“ Das sei „eine klare Botschaft an die Schleuser und ihre Kunden, die wissen müssen, dass das Geld, das sie für die Überfahrt bezahlen, verloren ist“.
Tausende Euro für die Schleusung
Laut Zeugenaussagen verlangen die Schleuser für die rund 300 Kilometer lange und zwei bis drei Tage dauernde Überfahrt von Libyen nach Griechenland umgerechnet 4000 bis 6000 Euro. Die meisten Boote sind kaum seetüchtig und völlig überladen. Immer wieder kommt es deshalb zu Unglücken mit Todesopfern.