Urananreicherungen im Iran: Was steckt dahinter?

Uran ist ein radioaktives Schwermetall, das angereichert werden muss, um es für zivile und militärische Zwecke nutzen zu können.
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Wie weit ist der Iran beim Bau einer Atombombe? In den vergangenen Jahren hat das Land immer mehr Uran angereichert: Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA geht inzwischen von mehr als 400 Kilogramm mit einem beinahe waffentauglichen Reinheitsgrad von 60 Prozent aus. Das iranische Regime gibt an, mit seinem Atomprogramm zivile Zwecke zu verfolgen. Die vorhandenen Kernkraftwerke würden der Stromerzeugung dienen.
- Was ist Uran?
- Wie verbreitet ist Uran?
- Was versteht man unter „angereichertem“ Uran?
- Welche Länder reichern Uran an?
- Wer kontrolliert die weltweite Urananreicherung?
- Welche Länder sind Atommächte?
- Wie gefährlich sind die Angriffe auf die Nuklearanlagen?
Was ist Uran?
Uran ist ein natürlich vorkommendes, radioaktives Schwermetall. Es ist in verschiedenen Mineralien sowie im Meerwasser enthalten – wenn auch dort in sehr geringen Konzentrationen. Der Verband der Schweizer Kernkraftwerksbetreiber geht davon aus, dass eine Tonne Gestein der Erdkruste im globalen Durchschnitt zwei bis vier Gramm Uran enthält. Es komme damit genauso häufig vor wie die Metalle Zinn und Wolfram.
Uran besteht, wie alle Elemente, aus Atomen. Der Atomkern des Schwermetalls enthält 92 positiv geladene Teilchen (Protonen) und eine variierende Zahl von elektrisch neutralen Teilchen (Neutronen). Je nachdem, wie viele Neutronen ein Atomkern enthält, entstehen unterschiedliche Arten von Uran, die man Isotope nennt. In der Natur kommen hauptsächlich folgende Uran-Isotope vor:
- Uran-238 (hat einen Anteil von mehr als 99 Prozent am Natururan)
- Uran-235 (hat einen Anteil von rund 0,7 Prozent am Natururan)
- Uran-234 (hat einen Anteil von rund 0,005 Prozent am Natururan)
Für den Betrieb von Kernkraftwerken und zum Bau von Kernwaffen wird das Isotop 235 eingesetzt. Denn es ist leicht spaltbar – das heißt, es kann bei der Kernspaltung mit wenig Aufwand eine große Menge an Energie gewonnen werden.
Kernspaltung leicht erklärt
Die Kernspaltung ist ein Vorgang aus der Kernphysik. Dabei wird ein schwerer Atomkern (also ein Atomkern, der viele Protonen und Neutronen enthält) in mehrere kleine, leichtere Atomkerne gespalten. Das passiert, indem der Atomkern mit langsamen Neutronen beschossen wird. Die Neutronen werden vom Atomkern aufgenommen, wodurch dieser an Stabilität verliert. Er zerfällt in mehrere Teile, wobei Energie freigesetzt wird. Gleichzeitig werden schnelle freie Neutronen wieder frei, die andere Atomkerne zur Spaltung anregen können. Es wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die eine große Menge Energie erzeugt. Damit sich diese Kettenreaktion nicht unkontrolliert fortsetzt, werden in Atomkraftwerken, wo diese Spaltungsprozesse stattfinden, Neutronengifte eingesetzt. Dazu gehören zum Beispiel Bor- und Cadmiumverbindungen, die die Zahl freier Neutronen regulieren.
Wie verbreitet ist Uran?
Die Uranvorräte der Welt werden auf rund sechs Millionen Tonnen geschätzt. Die größten bekannten Lagerstätten befinden sich in Australien, Kanada, Kasachstan, Niger und Russland. Das „Red Book“ der Nuclear Energy Agency, das jährlich erscheint, schätzte die wirtschaftlich abbaubaren Reserven im Iran im vergangenen Jahr auf knapp 10.000 Tonnen.
Seit 2020 steigt die Menge des weltweit abgebauten Urans laut der World Nuclear Association wieder leicht, nachdem der Trend zuvor eher rückläufig gewesen ist. So betrug die global produzierte Uranmenge im Jahr 2022 rund 49.000 Tonnen. Im Vorjahr waren es noch knapp 48.000 Tonnen.
Was versteht man unter „angereichertem“ Uran?
Wie bereits erwähnt, kommt in der Natur vorwiegend das Isotop Uran-238 vor. Das ist aber für die Energiegewinnung in Kernkraftwerken oder zum Bau von Kernwaffen nicht so effizient wie Uran-235. Deshalb ist das Ziel der Urananreicherung – ein hoch spezialisiertes, komplexes Verfahren – den Anteil von Uran-235 im abgebauten Uran so zu erhöhen, dass es als Brennstoff genutzt werden kann.
Dafür gibt es unterschiedliche Verfahren, in denen die Isotope voneinander getrennt werden. Dazu gehören das Gasdiffusions- und Gaszentrifugenverfahren. Um Brennstäbe zu erzeugen, muss das Uran-235 auf 3,5 bis 5 Prozent angereichert werden. Auf mindestens 90 Prozent angereichert, kann es für Kernwaffen wie Atombomben verwendet werden. Dann spricht man von „hoch angereichertem“ Uran.
Gasdiffusionsverfahren
Diese Form der Urananreicherung kam vor allem zu Zeiten des Kalten Krieges zum Einsatz. Das Uran musste dafür zunächst in gasförmiges Uranhexafluorid umgewandelt werden. Anschließend wurde das Gas unter Druck durch eine durchlöcherte Metallmembran geleitet, die nur Moleküle einer bestimmten Größe durchließ. Da Uran-235 leichter ist als Uran-238, hatte es eine größere Chance, durch die Löcher zu kommen. So ließen sich die beiden Isotope gut voneinander trennen. Dieser Prozess wurde in mehreren tausend hintereinandergeschalteten Stufen wiederholt, um die nötige Menge an Uran-235 zu erzeugen. Der hohe Stromaufwand machte das Gasdiffusionsverfahren jedoch unattraktiv. Seit 2013 wird es nicht mehr genutzt.
Gaszentrifugenverfahren
Beim Gaszentrifugenverfahren muss das Uran, genauso wie beim Gasdiffusionsverfahren, in gasförmiges Uranhexafluorid umgewandelt werden. Anschließend wird das Gas in rotierende Zentrifugen eingeleitet. Durch die Zentrifugalkraft werden die Isotope voneinander getrennt: Die schwereren Uran-238-Moleküle werden nach außen gedrückt, während sich die leichteren Uran-235-Moleküle in der Mitte der Zentrifuge sammeln. Vakuumröhren können die zwei Isotope getrennt voneinander absaugen. Dieses Verfahren ist deutlich stromsparender, weshalb es sich als Urananreicherungsmethode durchgesetzt hat.
Der Iran ist laut der IAEA im Besitz von Uran, das auf 60 Prozent angereichert ist. Es auf atomwaffenfähige 90 Prozent anzureichern, sei nur noch „ein Katzensprung“, sagte Georg Steinhauser, Professor für Angewandte Radiochemie an der TU Wien, gegenüber tagesschau24. „Die Urananreicherung ist kein linearer Prozess“, erklärte er. „Das heißt, der Aufwand und die Mühe, die man hineinstecken muss, auch die Energie, die Zeit zu Beginn des Prozesses – also wenn ich mit Natur-Uran anfange –, das ist sehr aufwendig. Von 60 Prozent auf 90 Prozent geht es dann sehr rasch.“
Welche Länder reichern Uran an?
Es gibt drei führende Anbieter von Urananreicherungsanlagen: die Firmen Orano, Rosatom und Urenco. Ihre Technik wird unter anderem in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, in Großbritannien, den USA und in Russland genutzt. Auch Argentinien, Brasilien, Japan, Indien, Pakistan und eben der Iran verfügen über Anlagen, mit denen sie das radioaktive Schwermetall anreichern können – mal in größeren, mal in kleineren Mengen.
Nicht immer verfolgen die Länder dabei das Ziel, Kernwaffen zu bauen. Vielmehr benötigen sie Uran, um Kraftwerke zu betreiben und Energie zu produzieren. Doch es gibt auch Länder, die „hoch angereichertes“ Uran besitzen, das für militärische Zwecke eingesetzt werden kann. Allen voran: Russland.
Insgesamt habe sich der weltweite Bestand an „hoch angereichertem“ Uran im Jahr 2022 auf 1255 Tonnen belaufen, erklärte das Research Center for Nuclear Weapons Abolition (RECNA) der japanischen Nagasaki University. Das entspreche rund 19.600 Hiroshimabomben. Die Gesamtmenge sei damit aber insgesamt zurückgegangen.
Hiroshima und die atomare Katastrophe
Vor fast 80 Jahren, am 6. August 1945, geschah das Unvorstellbare: Zum ersten Mal in der Geschichte kam eine Atombombe im Krieg zum Einsatz. Das Ziel des Angriffs war die japanische Stadt Hiroshima – damals, zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges, ein großer Militärstützpunkt. Die Atombombe, die die USA über der Stadt abwarfen, zerstörte innerhalb von Sekunden 80 Prozent der Innenstadt. Tausende Japanerinnen und Japaner kamen ums Leben, viele andere wurden radioaktiv verstrahlt, woran sie später starben. Nur drei Tage später folgte ein zweiter Atombombeneinsatz über der Stadt Nagasaki. Die Bombenabwürfe führten dazu, dass Japan schließlich kapitulierte – und sie demonstrierten, welche gefährlichen Waffen der Mensch geschaffen hatte.
Wer kontrolliert die weltweite Urananreicherung?
Es gibt sowohl nationale als auch internationale Behörden, die die Nutzung von Kernmaterial überwachen. In den USA ist die Nuclear Regulatory Commission die führende Aufsichtsbehörde; in Europa kontrolliert die Europäische Atomgemeinschaft Euratom den zivilen Einsatz von Kernenergie. Auf internationaler Ebene ist die IAEA für jeglichen Einsatz von Kernmaterial und Atomanlagen verantwortlich.
Die IAEA wurde 1957 als Reaktion auf die „Atoms for Peace“-Rede von US-Präsident Dwight D. Eisenhower gegründet. Ihr Ziel: Die friedliche Nutzung der Atomenergie fördern und die Verbreitung von Atomwaffen verhindern. Heute hat die in Wien ansässige unabhängige Organisation 180 Mitglieder, darunter die meisten der 193 Staaten der Vereinten Nationen und alle Atommächte (mit Ausnahme von Nordkorea).
Welche Länder sind Atommächte?
Der Atomwaffensperrvertrag von 1970 sieht fünf anerkannte, „legale“ Atommächte vor:
- USA
- Russland
- Großbritannien
- Frankreich
- China
In dem Vertrag verpflichten sich die Staaten, nuklear abzurüsten und die Kernenergie friedlich zu nutzen. Faktisch sind in den vergangenen Jahren aber noch weitere Atommächte hinzugekommen. Indien, Israel (genaue Angaben macht das Land zu seinem Waffenarsenal nicht), Pakistan und Nordkorea besitzen Behörden zufolge heute ebenfalls Atomwaffen. Sie werden oft als „illegale“ Atommächte bezeichnet, da sie den Atomsperrvertrag trotz Atomwaffenbesitz nicht unterzeichnet haben beziehungsweise (im Fall von Nordkorea) aus dem Vertrag ausgestiegen sind.
Der Iran hat den Atomwaffensperrvertrag 1970 unterzeichnet. Damit ist es dem Land untersagt, Nuklearwaffen herzustellen und zu erwerben. Kernenergie darf nur zu zivilen Zwecken genutzt werden. Im Jahr 2002 erhielt die IAEA jedoch Geheimdienstinformationen, die auf geheime Atomanlagen im Iran hinwiesen. Erstmals kam der Verdacht auf, dass der Staat ein geheimes Programm zur Anreicherung von Uran durchführte.
2015 unterschrieb der Iran die Wiener Nuklearvereinbarung, den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA). Darin verpflichtete sich das Land, sein Uran-Anreicherungsprogramm zu begrenzen, während im Gegenzug Sanktionen aufgehoben wurden. Im Jahr 2018 gab der damalige US-Präsident Donald Trump schließlich bekannt, aus dem JCPoA auszusteigen. US-Sanktionen gegen den Iran traten wieder in Kraft.
Die Reaktion des Iran folgte prompt: Die JCPoA-Verpflichtungen wurden schrittweise ausgesetzt, genauso wie die vereinbarten Beschränkungen für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten mit fortschrittlichen Zentrifugen; die Transparenz des Atomprogramms wurde reduziert. Gleichzeitig wurde die Urananreicherung wieder fortgesetzt – vor allem in der unterirdischen Anlage Fordo, die im Zuge der aktuellen Konflikte durch US-Luftangriffe attackiert wurde. Eine andere Urananreicherungsanlage steht in Natans. Womöglich gibt es aber noch weitere geheime Standorte, spekulieren Fachleute.
Wie gefährlich sind die Angriffe auf die Nuklearanlagen?
Die israelischen und US-amerikanischen Angriffe im Iran richteten sich primär auf die Nuklearanlagen in Teheran, Arak und Isfahan sowie die unterirdischen Urananreicherungsanlagen Fordo und Natans. Das birgt ein Sicherheitsrisiko. Denn radioaktive Strahlung könnte freigesetzt werden.
Bisher sei das Risiko einer Kontamination begrenzt, urteilen Expertinnen und Experten. Darya Dolzikova, leitende Forscherin am Londoner Thinktank RUSI, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: Angriffe auf Anlagen im frühen Stadium des nuklearen Brennstoffzyklus – also, wenn das Uran für die Nutzung in den Reaktoren vorbereitet wird – würden vor allem ein chemisches, nicht aber radiologisches Risiko darstellen.
Bei den Urananreicherungsanlagen sei das Uranhexafluorid das Problem. „Wenn UF6 (Uranhexafluorid, Anm. d. Red.) mit dem Wasserdampf in der Luft interagiert, entstehen schädliche Chemikalien“, sagte Dolzikova. Diese können sich je nach Wetterlage verbreiten. „Bei schwachem Wind ist zu erwarten, dass sich ein Großteil des Materials in der Nähe der Anlage absetzt; bei starkem Wind bewegt sich das Material weiter, wird aber wahrscheinlich auch weiter verstreut.“ Bei unterirdischen Anlagen sei das Risiko der Ausbreitung geringer.
Auch Simon Bennett, Leiter der Abteilung für zivile Sicherheit an der Universität Leicester im Vereinigten Königreich, hält das Umweltrisiko bei Angriffen auf unterirdische Anlagen für minimal. Dann werde „Kernmaterial in möglicherweise Tausenden Tonnen Beton, Erde und Gestein vergraben“.
Wo ist das angereicherte iranische Uran?
Nachdem die USA bunkerbrechende Bomben über den iranischen Urananreicherungsanlagen Fordo und Natans abgeworfen hatte, hatte US-Präsident Trump erklärt, dass die Anlagen „komplett und vollständig ausgelöscht“ worden seien. Neue Geheimdienstinformationen legen jetzt jedoch nahe, dass die unterirdischen Anlagen nicht zerstört wurden. Der Direktor der IAEA, Rafael Grossi, geht davon aus, dass das angereicherte Uran zuvor in Sicherheit gebracht wurde. Satellitenbilder aus den vergangenen Wochen zeigen ein erhöhtes Verkehrsaufkommen rund um die unterirdische Anlage in Fordo. Angereichertes Uran wird für gewöhnlich in Form von Uranhexafluorid transportiert, meist in festem Zustand, und zwar in speziellen, druckfesten Behältern. Diese können per Lastwagen oder Bahn befördert werden. Da die Behälter relativ kompakt sind, wären nicht einmal besonders viele Lastwagen für den Transport nötig. Komplizierter wird es bei den Zentrifugen, die für die Urananreicherung gebraucht werden. Sie sind hochempfindlich und können leicht Schaden nehmen. Wohin der Iran das angereicherte Uran transportiert haben könnte, ist bislang unklar.
Das größte Problem wäre nach Einschätzung von Richard Wakeford ein Angriff auf den Atomreaktor in Buschehr. Radioaktives Material könnte entweder durch eine Wolke flüchtiger Stoffe oder sogar ins Meer freigesetzt werden, so der Honorarprofessor für Epidemiologie an der Universität Manchester. Andere Fachleute sprechen von einer „absoluten radiologischen Katastrophe“, die bei einem Angriff auf Buschehr drohen könnte.